Giordano Bruno, der Ketzerfürst

Portrait eines "uomo universale"

Schwer verständlich und weit entfernt liegt unserem spezialisierten 21. Jahrhundert der Begriff des "uomo universale", des Universalmenschen, wie wir ihn aus der Renaissance kennen. Er ist in der Lage, die Trennungen der Wissenschaften zu überbrücken, scheinbare Widersprüche zu einer Synthese zu führen und die Natur, das Universum und den Menschen als ein Ganzes zu betrachten.


Vor allem aber ist er ein Mensch der Suche: der Suche nach universellen Zusammenhängen, der Suche nach Erkenntnis und Wahrheit, jenseits aller herrschenden Dogmen ... Giordano Bruno, der Weise aus dem Ort Nola in Süditalien, erfüllte nicht nur diese Postulate seiner Zeit, sondern ging noch weit über sie hinaus, indem er die geistigen Bestrebungen des 16.Jahrhunderts mit der uralten - auch damals fast vergessenen - Tradition der Mysterien der Antike verknüpfte.


Er selbst sagte, dass Pythagoras die Quelle seiner Lehren sei. Doch eben diese Absicht, die Philosophie und Weisheit der Antike wiederbeleben zu wollen wie auch die schonungslose Kritik an den Missständen seiner Zeit, brachten ihm seitens der Inquisition den zweifelhaften Titel "Fürst der Ketzer" ein und wurde ihm zum Verhängnis.


Der Mensch Giordano Bruno


Der Philosoph, Wissenschaftler und revolutionäre Denker Giordano Bruno, der im Jahr 1600 einem der spektakulärsten Justizmorde der Geschichte zum Opfer fiel, wurde 1548 in Nola geboren. Bruno selbst gab bei seiner ersten Vernehmung durch die Inquisition 1592 folgenden Überblick über sein Leben:


"Ich heiße Giordano, stamme aus der Familie der Bruni, meine Vaterstadt ist Nola, ungefähr zwölf Meilen von Neapel. In jener Stadt bin ich geboren und erzogen. Mein Beruf ist, und ist stets gewesen, jegliche Wissenschaft und Schrifttum. Mein Vater heißt Giovanni und meine Mutter Fraulissa Savolina, und der Beruf meines Vaters war der eines Soldaten; er ist ebenso wie meine Mutter bereits gestorben."


Mit elf oder zwölf Jahren wurde Bruno von seinen Eltern nach Neapel geschickt, wo er zunächst an der freien Universität mit dem Studium der humanistischen Fächer Logik und Dialektik begann. Als Siebzehnjähriger trat er dann in den Dominikanerorden ein , und schon sehr bald geriet er in Konflikt mit der christlichen Dogmatik.


So war für Bruno der Begriff eines persönlichen Gottes völlig unnachvollziehbar, und auch die Heiligenbilder sowie den Marienkult lehnte er ab. Vermutlich begann er bereits in dieser Zeit mit den ersten Entwürfen zu seiner satirischen Komödie Il candelaio ("Der Kerzenmacher"), einer offenen Kritik an den vielzähligen Formen der Entartung, Hemmungslosigkeit, Verlogenheit und Heuchelei in den Klöstern.


Statue des Giordano Bruno am Campo dei Fiori in Rom
Pixelio-Bild-Nr. 362634 von Robert Babiak


 

Nach seiner Priesterweihe 1572 und während seines Theologiestudiums fühlte er sich vor allem zu den großen griechischen und römischen Denkern (Platon, Aristoteles, Vergil, Ovid u.a.) wie auch zu den Neuplatonikern hingezogen; mit den Schriften von Kopernikus dürfte er ebenfalls vertraut gewesen sein. Brunos offener Bruch mit dem Orden fällt in das Jahr 1576; alte, schon während der Zeit seines Studiums gegen ihn erhobene Anklagen wurden erneuert und der Vorwurf der Ketzerei gegen ihn erhoben.

Was folgt, ist eine 16-jährige Wanderschaft durch ganz Europa, eine ständige Flucht vor den Handlangern der Inquisition, an deren Ende schließlich doch seine Verhaftung im Mai 1592 in Venedig steht. Über Savona, Turin, Venedig, Padua, Genf und Lyon gelangte Bruno im Herbst 1579 nach Toulouse, wo er sechs Monate lang Privatvorlesungen über Astronomie hielt, und danach mit dem freigewordenen Lehrstuhl für Philosophie an der Universität betraut wurde.


Infolge des Bürgerkrieges (Hugenottenkriege 1562 -1598) begab sich Bruno 1581 nach Paris. Wieder kündigte er dort Privatvorlesungen an, mit denen er sich auch in. dieser Stadt einen Namen erwarb. Von einer Zusammenkunft mit König Heinrich III. berichtet Bruno selbst:


"Doch durch jene außerordentlichen Vorlesungen erwarb ich mir einen solchen Namen, daß der König Heinrich III. mich eines Tages zu sich beschied und mich fragte, ob das Gedächtnis, das ich besäße und an den Tag legte, natürlich wäre oder auf magischer Kunst beruhe. Ich gab ihm befriedigende Auskunft; nach meinen Worten und Werken erkannte er bald, dass es sich nicht um magische Kunst, sondern um Wissenschaft handelte, und danach ließ ich ein Buch drucken über das Gedächtnis unter dem Titel »De umbris idearum« (Von den Schatten der Ideen), das ich seiner Majestät widmete, und aus diesem Anlass ernannte er mich zum außerordentlichen Professor ... "


Die Schriften des Giordano Bruno


Auf Paris folgte dann wohl die produktivste Phase im Leben des Philosophen mit seinem Aufenthalt in London von 1583- 1585. Hier entstanden seine berühmten sechs italienischen Dialoge, die mit ihrem antiakademischen Charakter zum Ärgernis für die gelehrte Welt wurden- und für einige Vertreter immer noch sind.


Im "Aschermittwochsmahl" (erster Dialog) finden sich neben erbarmungslosen Karikaturen der Arroganz akademischer Gelehrsamkeit bereits die Grundlagen zu Brunos Kosmologie.


Die Schrift "Von der Ursache, dem Prinzip und dem Einen" hat die Darstellung einer Einheitsmetaphysik zum Thema, d.h. die Lehre vom Zusammenwirken von Materie, Weltseele und universeller Vernunft.


„Vom Unendlichen, dem All und den Welten" ist eine Auseinandersetzung und Kritik an dem geozentrischen Weltbild des Aristoteles. Diesem stellt Bruno die Vision eines unendlichen Universums mit einer unendlichen Zahl bewohnter Welten und Sonnensysteme gegenüber.


Der vierte Dialog, "Die Vertreibung der triumphierenden Bestie", ist eine moralphilosophische Schrift in Form einer Satire der antiken Götterwelt, die als großangelegte Menschheitssatire eine moralische Generalabrechnung vornimmt.


Den darauffolgenden Dialog, "Die Kabbala des Pegasus" - eine Ergänzung zum vierten Dialog - verfasste Bruno wiederum als Satire.


Der letzte, der sechste Dialog, "Heroische Leidenschaften", enthält die Erkenntnislehre des Nolaners in symbolisch verschlüsselter Form.


1585 kehrte Bruno wieder nach Paris zurück, wo seine "120 Thesen gegen die Peripatetiker über Natur und Welt" wohl zum herausragendsten Ereignis wurden. Dieser "Thesenanschlag" war der kühne Versuch Brunos, die Autoritäten der Universitäten herauszufordern und zur Stellungnahme zu zwingen. Gegen die aristotelische Naturphilosophie gerichtet, bilden diese Thesen eine Art Kurzfassung der Kosmologie des Nolaners. Es heißt hier unter anderem:


These 69: "Wir verstehen also unter Universum die unendliche stoffliche Substanz im unendlichen Raum"


These 70: "Das Universum ist ein einziges Kontinuum"


These 74: "Notwendig ist die Welt (als Gestirn) erschaffen und an sich vergänglich. Das All aber ist unerschaffen und unvergänglich"


In der berühmten Disputation am College de Cambrai führten Brunos Thesen zu einem akademischen Skandal, in dessen Verlauf es zu tumultartigen Szenen kam. Eine Stellungnahme des Philosophen ließ das Klima offener Feindseligkeit nicht mehr zu. Wenige Wochen später verließ Bruno die französische Hauptstadt (1586). Die folgenden Jahre sind geprägt von weiteren Lehrtätigkeiten Brunos in den Städten Wittenberg, Prag, Helmstedt, Frankfurt am Main und Zürich, wobei vor allem seine drei Abhandlungen zur Magie herauszuheben wären, die er in Helmstedt verfasste.


Hier beschäftigte er sich vornehmlich mit der magia naturalis, der "natürlichen oder spirituellen Magie" im Gegensatz zur "dämonischen Magie". Bruno gibt in diesen Schriften einen Überblick über die verschiedenen Formen der Magie und ihre Herkunft aus neuplatonischen und hermetischen Traditionen. Dabei erklärt er die in magischen Praktiken häufig unterstellten übersinnlichen Einwirkungen mit der Analogie aller Seinsschichten, von denen jede die Einheit oder das Ganze auf einer jeweils anderen Bewusstseinsstufe widerspiegelt. Für ihn selbst bedeutet die "natürliche Magie" weniger Wirkungs- als Erkenntnisprinzip, eine Form der Meditation und Konzentration in Richtung auf seelisch-geistige Wahrnehmung des "Einen".


Giordano Bruno erkannte bereits die Unendlichkeit des Weltalls, sowie die Existenz von Planeten, Sternen und Galaxien


Giordano Bruno, der Ketzerfürst


Im Sommer 1591 erhielt Bruno in Frankfurt eine Einladung des venezianischen Adeligen Mocenigo, der ihn um Unterricht in der Gedächtniskunst bat, und der Nolaner begab sich kurz darauf nach Venedig. Die Offenheit, mit der Bruno seine Ansichten vertrat, ließen Mocenigo mehrfach Drohungen gegen ihn aussprechen.


Zunehmend unzufriedener mit seinem Gast, von dem Mocenigo mehr zu erfahren glaubte, als dieser bereit war, ihm mitzuteilen, ließ er Bruno gefangen setzen, als dieser seine Absicht zum Ausdruck brachte, nach Frankfurt zurückzukehren. In seinem Denunziationsschreiben vom 23. Mai 1592 beschuldigte er Bruno in 20 Punkten der Ketzerei. Am darauffolgenden Tag wurde der Philosoph verhaftet und in die berüchtigten Bleikammern Venedigs gebracht.


Im Februar 1593 lieferte man ihn nach langwierigem politischen Tauziehen Rom aus und überführte ihn in das Gefängnis des Heiligen Offiziums (in der heutigen Engelsburg). Der sich über sieben Jahre hinziehende Leidensweg des Nolaners war gekennzeichnet von Verhören, Folter, unzähligen Prozessakten und einer geradezu übermenschlichen Haltung des Philosophen. Immer wieder gab er zu verstehen, er sei Philosoph und habe mit Glaubensfragen nichts zu tun.


Immer wieder versuchte er seine Lehre vom unendlichen All und der Vielzahl der Welten wissenschaftlich darzulegen -allerdings vor einem "Publikum", das außer dem theologischen Kontext nichts akzeptierte. Schließlich wurde im Jänner 1599 die Anklage gegen Bruno in acht Hauptpunkten zusammengefasst. Monate danach bekräftigte der Philosoph wiederum seine Haltung; er erklärte, dass er nichts zu bereuen habe und keinerlei Anlass zu einem Widerruf sehe.


Eine von ihm verfasste Denkschrift wurde im Jänner 1600 vor dem Inquisitionsgericht geöffnet, aber nicht gelesen". Am selben Tag beschloss man, Bruno der "weltlichen Gewalt", d.h. dem Gouverneur von Rom zu übergeben (formal war es die "weltliche Gewalt", welche die Exekutionen durchführte, der Kirche war einzig am "Seelenheil" der Betreffenden gelegen). Das Ketzerurteil gegen Bruno wurde dann am 8. Februar 1600 verkündet. Nach seiner Verlesung richtete Bruno folgende Worte an die anwesenden Kardinäle:


"Mit größerer Furcht verkündigt ihr vielleicht das Urteil gegen mich, als ich es entgegennehme!"


Die öffentliche Verbrennung auf dem römischen Campo dei Fiori fiel auf den 17. Februar 1600. Man braucht nicht viel Fantasie, um sie die Vollstreckung des Urteils vorzustellen. Eine genaue Schilderung der Augenzeugenberichte möchte ich dem Leser ersparen. Es ist genug, diese - und unzählige andere ähnliche- Vorgänge als eines der beschämendsten und düstersten Kapitel der Geschichte ins Bewusstsein zu rufen.


Und es wäre auch an der Zeit, sich wieder mit dem überragenden Geist des Giordano Bruno auseinander zu setzen , der mit Recht zu den Großen der Menschheit gezählt werden kann.


zum Abschluss ein Zitat von Giordano Bruno über das Glück:


"Wenn ich gebe, sehe ich nicht erst zu, wem ich gebe, und wenn ich nehme, sehe ich nicht erst zu, wem ich nehme, und so behandle ich alle gleichmäßig und ohne jegliche Unterscheidung. Und so gelange ich dazu, alle Wesen gleich und gerecht zu behandeln und an alle gleich und gerecht zu verteilen."


aus der "Reformation des Himmels"


von Brigitte Schmidt

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