John Lennon - die unbekannte Seite einer Legende

John Lennon von Roy Lichtenstein

Wenn wir uns an ihn erinnern, assoziieren wir mit seinem Namen einen verträumten Liebesapostel, Schüler eines indischen Gurus, zornigen Radikalen, Feministen, drogenabhängigen Trunkenbold …

Die Attribute begnadeter Songschreiber und Superstar wies immer er von sich, aber dieser Ausspruch von ihm erstaunt: „In einer anderen Zeit wäre ich als Philosoph bezeichnet worden.“ Was war die Philosophie dieses Arbeiterkindes aus Liverpool?
Am Höhepunkt seiner Karriere, er war 23 Jahre alt, fühlte er ein Sinnvakuum, das er weder für sich und schon gar nicht anderen Personen erklären konnte. Mit dem Album „Help“ schrie er um Hilfe, denn trotz der Bewunderung und des Reichtums wusste er nicht, wer er war noch wohin er in seinem Leben steuern sollte. Auf der Suche nach Orientierung las er Werke von C. G. Jung, S. Freud, Viktor Frankl, die Bibel und auch östliche Weisheitsbücher wie die Bhagavad Gita und das Tibetische Totenbuch. Experimente mit verschiedenen Drogen und Begegnungen mit schillernden Menschen wie dem indischen Guru Maharishi Mahesh oder dem Urschrei-Therapeuten Arthur Janov waren auf seinem Weg hilfreich, doch letztendlich waren sie Ersatzväter, die ihn menschlich in gewisser Weise genauso enttäuschten wie der eigene Vater. 


Er vertrat eine anthropozentrische Lebens- und Weltanschauung, in der ein personeller Gott keinen Platz hatte. Obwohl er sich nicht als religiös bezeichnete, war er ein Idealist und Humanist, denn er nahm Anteil an der Menschheit und wurde nicht müde, den notwendigen menschlichen Bewusstseinssprung zu erklären und voranzutreiben. Lennon predigte Liebe und war ein Friedensbotschafter, nicht nur weil er während des 2. Weltkrieges auf die Welt kam, sondern auch wegen seines Protests gegen den Vietnamkrieg. Sein erklärtes Ziel war eine Gesellschaft, wo es keinen Unterschied von Religion, Nationalität und Hautfarbe gab, eine Forderung, die im damaligen rassistischen Großbritannien nicht immer auf Verständnis stieß. Er warnte vor blindem Eifer und Gehorsam gegenüber Autoritäten und rüttelte die Menschen auf, ihre eigene Überzeugung zu leben, den eigenen Weg zu gehen und ihren Verstand zu gebrauchen. Lennons Vorstellung einer idealen Welt negierte Gewalt in jeder Form, auch nicht zur Erreichung oder Aufrechterhaltung des Friedens. Mit seinem Song „Imagine“, einem hochprozentigen Destillat seiner Philosophie, entwarf er das Bild einer besseren Welt, so wie er und die Menschen es sich wünschen.


So rebellisch und verletzend er sein konnte, seine Liebe zur Wahrhaftigkeit und seine Bereitwilligkeit, Fehler und Schwächen zuzugeben, waren genauso entwaffnend wie seine Bescheidenheit:
„ Ich habe nie behauptet, eine Antwort auf das Leben gefunden zu haben. Ich bringe lediglich Songs heraus und beantworte Fragen, so ehrlich wie möglich, aber eben nur, so gut ich es kann – nicht mehr und nicht weniger.“
 
Ingrid Kammerer

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