Die Mythologie des Guten und Bösen: Archetypen in Star Wars

„Diese «inneren» Erscheinungen sind es, die ich als Archetypen bezeichne. Ihren Ursprung kennt man nicht; sie tauchen jederzeit auf, überall in der Welt.“ (C.G. Jung, Der Mensch und seine Symbole

George Lucas` Star Wars-Saga wird oftmals fälschlicherweise als „Science-Fiction“ betrachtet, was per definitionem aber nicht zutrifft, da Science-Fiction üblicherweise eine Erzählstruktur aufweist, welche chronologisch in die Zukunft verweist. Schon beim Eröffnungstext jeder Star Wars-Episode („Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis...“) fällt jedoch auf, dass dieser einleitende Satz eindeutig auf die Vergangenheit verweist und daher eher den Charakter einer märchenhaft-mythologischen Erzählung hat.

George Lucas wies in einem seiner Interviews darauf hin, dass der Psychoanalytiker C.G. Jung einen maßgeblichen Einfluss auf die inhaltliche Konzeption der Star Wars-Saga gehabt hätte. Lucas bezog sich dabei in erster Linie auf C.G. Jungs Theorie der Archetypen, welche für die Entwicklung der Charaktere innerhalb des Star Wars-Universums von großer Bedeutung war. In den Jahren zwischen 1952 bis 1954 veröffentlichte C.G. Jung eine Reihe von Essays, in denen er seine Theorie vom kollektiven Unbewussten darlegte. Jung unterscheidet dabei zwischen zwei Formen des Unbewussten. Zum einen existiere, so Jung, eine oberflächliche Schicht, die sich aus persönlicher Erfahrung bildet und deshalb von ihm persönliches Unbewusstes genannt wird. Tiefer liegt hingegen das kollektive Unbewusste, dem eine archaisch-mythologische Denkstruktur zugrunde liegt. Als kollektiv bezeichnet Jung diese Form deshalb, weil sie angeboren sei und jedem Menschen innewohne. Beide Schichten des Unbewussten enthalten nach Jung bewusstseinsfähige Inhalte, die Jung im Falle des persönlichen Unbewussten gefühlsbetonte Komplexe nennt, im Falle des kollektiven Unbewussten hingegen als Archetypen bezeichnet. Ein Archetypus ist nach Jung ein seit jeher vorhandenes Urbild, vergleichbar mit den Ideen von Platon, welches in Mythen, Märchen und Träumen zum Ausdruck kommt. Einer dieser Archetypen ist beispielsweise Der alte Mann. Dieser steht nach Jung für Weisheit, Ratschlag oder Verbot und verkörpert eine Entscheidungshilfe in schwierigen Situationen des Lebens (vgl. Jung, 1978, S. 11-50).

Dieser Archetypus findet sich beispielsweise in Episode V gleich zweimal. Zum einen in der Szene als Luke Skywalker in der Eiswüste von Hoth eine visionäre Erscheinung vom alten Obi-Wan Kenobi hat, der ihm den Ratschlag erteilt, sich ins Dagobah-System zu begeben, um sich zum Jedi ausbilden zu lassen. Zum anderen zeigt sich dieser Archetypus erneut in jener Szene als Luke Skywalker sich von dem alten Yoda in die Geheimnisse der Macht einweihen lässt. Sowohl der alte Obi-Wan als auch Yoda stehen dem jungen Luke Skywalker in allen Episoden der klassischen Trilogie selbst nach ihrem Tod als Berater und Entscheidungshilfe zur Seite, bis dieser seine Mission vollendet hat.


Der Archetypus des Guten in Gestalt des alten Mannes nach C.G. Jung:
Obi-Wan Kenobi auf Tatooine (Filmszene aus Episode IV).


Dualismus und Metamorphose


In der Dualität der Charaktere von Star Wars offenbaren sich zwei weiteren Archetypen von C.G. Jung, nämlich der Animus (maskuliner Heros, Magier oder Prinz), sowie sein Pendant Anima (weibliche Nymphe, Fee oder Prinzessin). Betrachtet man die klassische Star Wars-Trilogie im Ganzen, so fallen einem eine Reihe von unkonventionellen Dingen auf: Zum einen findet sich in der klassischen Trilogie ein markant ausgeprägter, moralischer Dualismus, der sowohl in der Form- und Farbgebung der Hauptcharaktere als auch in der Umgebung ihren Ausdruck findet. Das Böse (Sith) ist stets schwarz und meist inkognito (Umhänge, Masken, Helme) oder uniformiert gekleidet, das Gute (Jedi) zeigt sich hingegen in helleren Farben und weist zumeist weiche, geschmeidige Züge auf. Was die Lebensumgebung anbelangt, so zeigt sich augenscheinlich, dass das Böse eine Welt aus Stahl und Glas bewohnt, das Gute hingegen eine naturalistische Welt aus Wäldern, Sümpfen oder Wüsten. Hier zeigt sich deutlich, dass der besagte Dualismus nicht nur eine moralethische Dimension aufweist, in der die Archetypen des Guten und Bösen dargestellt werden, sondern wo auch eine Dimension eingeführt wird, in der sich auch eine ambivalente Dualität zwischen Technologie und Natur zeigt. Das Böse zeigt sich daher nicht nur in der symbolischen Verkörperung, sondern auch in der überindustrialisierten Gesellschaft, die der Natürlichkeit gegenübergestellt ist. Diese Überindustrialisierung kommt sogar darin zum Ausdruck, dass ihre Protagonisten selbst von der Technologie als kybernetische Organismen (Cyborgs) physisch durchdrungen werden, so wie dies bei der Metamorphose von Anakin Skywalker zu Darth Vader der Fall ist. Diese technologische Bedrohung kulminiert geradezu im Todesstern, einer künstlichen Raumstation, die imstande ist, ganze Planeten und Sternensysteme auszulöschen und auf diese Weise frappant an die Schlagkraft des Nukleararsenals des Atomzeitalters erinnert.



Die Archetypen des Guten und Bösen: Luke Skywalker (Animus) als helle Lichtgestalt,
Leia als selbstbewusste Prinzessin (Anima) und der dunkle Darth Vader (Der Schatten)
als Verkörperung des Bösen im Hintergrund (Kinoplakat von Episode IV).


Während die Episoden der klassischen Trilogie eine sehr dualistische Charakterbildung aufweisen, ist die Trennlinie zwischen Gut und Böse beziehungsweise zwischen Natur und Technologie in der neuen Trilogie nicht so scharf gezeichnet. Dies zeigt sich vor allem an der Metamorphose der Hauptfigur Anakin Skywalker, der in Episode I noch einen liebenswürdigen, hilfsbereiten und sehr talentierten Eindruck erweckt, in Episode II hingegen eher den Charakter eines James Dean aufweist, der trotz seines charismatischen Erscheinungsbildes etwas Diabolisches in sich trägt, bevor er in Episode III endgültig zum dämonischen Handlanger des Bösen mutiert.


Diese Dualität deckt sich mit einem weiteren Archetypus, den C.G. Jung als Der Schatten bezeichnet. Gemeint ist damit die „dunkle Seite“ des menschlichen Charakters, welche durch negative und unterdrückte Wesenszüge verkörpert werden, die ins Unterbewusstsein abgeschoben werden. Der Schatten versinnbildlicht das Böse im Menschen, das in der Mythologie zumeist in Form eines Dämons in Erscheinung tritt und auch nach außen hin projiziert wird.



Die Dualität des Menschen nach C.G. Jung: Anakin Skywalker hinterlässt den Schatten seines
zukünftigen Schicksals in Form des dunklen Darth Vader (Kinoplakat von Episode I).


Neben dieser Form der charakterlichen Metamorphose existiert in der neuen Trilogie auch eine bemerkenswerte Dualität diverser Charakterfiguren. So tritt Senator Palpatine in Episode I noch als hilfsbereiter Freund und Mentor der Königin auf, in Episode II gibt er sich am Ende des Films erstmals als Drahtzieher der beginnenden Klonkriege zu erkennen, in Episode III enthüllt er schließlich seine wahre Identität als dunkler Lord der Sith und zukünftiger Imperator. Gut und Böse stehen sich in der neuen Trilogie nicht mehr als unvereinbare Gegensätze gegenüber, sondern verschwimmen in einer Unschärfe, sodass sich das eine vom anderen kaum noch voneinander unterscheiden lässt, wodurch den Charakteren eine besondere Subtilität verliehen wird.


von Ronald Tuschl
Bildquelle: http://star-wars-trilogy.wikia.com



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